Durchbruch: PIMS Ursache nach Corona entdeckt

PIMS Ursache

Eine bahnbrechende Studie der Charité Berlin und des Leibniz-Instituts Deutsches Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ) hat die Ursache des gefährlichen Entzündungssyndroms PIMS bei Kindern nach Corona-Infektionen aufgedeckt. Die im renommierten Fachmagazin Nature veröffentlichten Forschungsergebnisse zeigen, dass die Reaktivierung des Epstein-Barr-Virus für die lebensbedrohliche Entzündungsreaktion verantwortlich ist.

Was ist PIMS?

Das Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (PIMS) tritt bei Kindern etwa vier bis acht Wochen nach einer SARS-CoV-2-Infektion auf. Obwohl Corona-Infektionen bei Kindern meist mild verlaufen, kann PIMS in seltenen Fällen zu schwerwiegenden Komplikationen führen. Die betroffenen Kinder entwickeln plötzlich hohe Fieber, Hautausschläge und mitunter lebensgefährliche Organschädigungen wie Herzschwäche. In etwa der Hälfte der Fälle müssen die jungen Patienten auf der Intensivstation behandelt werden.

Bei der ursprünglichen Corona-Variante erkrankte etwa eines von 800 infizierten Kindern an PIMS, bei der Omikron-Variante sank die Häufigkeit auf etwa eines von 4000 Kindern.

Kinderkopf von hinten im Bett, mit einem Teddy kuschelnd

PIMS ist ein Entzündungsschock bei Kindern nach einer Corona-Infektion, der lebensbedrohlich werden kann © Charité

PIMS Ursache: Der Mechanismus wurde entschlüsselt

Das Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Tilmann Kallinich und Dr. Mir-Farzin Mashreghi untersuchte 145 Kinder zwischen 2 und 18 Jahren, die wegen PIMS behandelt wurden, sowie 105 Kinder, die zwar eine Corona-Infektion durchgemacht, aber kein PIMS entwickelt hatten. Die Untersuchungen fanden an Kliniken in Deutschland, Frankreich, Italien, der Türkei und Chile statt.

Die Wissenschaftler entdeckten im Blut der PIMS-Patienten eindeutige Hinweise auf eine aktive Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV): Virusspuren, Antikörper und große Mengen spezifischer Immunzellen gegen das Virus. Das Epstein-Barr-Virus, bekannt als Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers, infiziert etwa 90 Prozent aller Menschen im Laufe ihres Lebens und verbleibt danach lebenslang im Körper – meist in einem Ruhezustand.

PIMS Ursache gefunden: Schwarz-weiß-Aufnahme mit einem guten Dutzend kleinen runden Partikeln, manche dunkelgrau, andere mit hellerer Struktur im Inneren.

Partikel des Epstein-Barr-Virus (elektronenmikroskopische Aufnahme). Seine Reaktivierung kann bei Kindern nach einer Corona-Infektion PIMS verursachen © CDC | Dr. Fred Murphy

Der fatale Kreislauf

Die Forscher konnten den komplexen Mechanismus aufklären, der zu PIMS führt:

  1. Die Corona-Infektion stört das normale Gleichgewicht des Immunsystems
  2. Dies führt zur Produktion großer Mengen des Botenstoffs TGFβ (Transforming Growth Factor beta)
  3. TGFβ hemmt die Funktionsfähigkeit der Immunzellen, die normalerweise das ruhende Epstein-Barr-Virus kontrollieren
  4. Das EBV kann sich wieder vermehren und aktivieren
  5. Der Körper produziert mehr – aber durch TGFβ geschwächte – Immunzellen gegen EBV
  6. Es entsteht ein sich selbst verstärkender Kreislauf, der in einer extremen Entzündungsreaktion gipfelt

„Die Immunzellen ziehen zwar gegen das Epstein-Barr-Virus ins Feld, kämpfen aber sozusagen mit stumpfen Waffen“, erklärt Dr. Mashreghi den Mechanismus. „Den Immunzellen gelingt es nicht mehr, die EBV-infizierten Körperzellen abzutöten.“

Neue Therapieansätze

Jetzt wo man die PIMS Ursache kennt eröffnet dies vielversprechende neue Behandlungsmöglichkeiten. Bisher werden PIMS-Patienten mit Entzündungshemmern wie Immunglobulinen oder Kortison behandelt. Die neuen Erkenntnisse legen nahe, dass eine gezielte Blockade von TGFβ eine wirksame Therapieoption sein könnte.

„Unsere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass auch die frühzeitige und gezielte Blockade von TGFβ gegen PIMS helfen könnte“, fasst Prof. Kallinich zusammen.

Bedeutung über PIMS hinaus

Die Forschungsergebnisse könnten auch für andere Corona-bedingte Erkrankungen relevant sein. Bei Long COVID gibt es ebenfalls Hinweise auf eine Reaktivierung ruhender Viren. „Vielleicht gibt es hier Parallelen zu den Vorgängen bei PIMS, dann wären TGFβ-Hemmer potenzielle Kandidaten für eine Therapie gegen Long COVID“, sagt Dr. Mashreghi.

Zudem wurde beobachtet, dass hohe TGFβ-Spiegel bei Erwachsenen mit schweren COVID-19-Verläufen korrelieren. Die Forscher vermuten daher, dass sich durch eine TGFβ-Blockade möglicherweise auch der Verlauf schwerer COVID-19-Erkrankungen positiv beeinflussen ließe.

Ob TGFβ-Hemmer bei diesen Erkrankungen tatsächlich wirksam sind, müssen nun weitere klinische Studien zeigen.


Quelle: Goetzke CC et al. TGFβ links EBV to multisystem inflammatory syndrome in children. Nature 2025 Mar 12. doi: 10.1038/s41586-025-08697-6