Hoffnung bei Long Covid und ME/CFS: Medikament Pyridostigmin verbessert kurzfristig Muskelkraft

Viele Menschen mit Long Covid oder der verwandten Erkrankung ME/CFS leiden unter starker Erschöpfung, Muskelschwäche und Kreislaufproblemen. Eine aktuelle Studie der Charité Berlin zeigt nun: Ein bereits bekanntes Medikament könnte hier kurzfristig helfen.

Was sind ME/CFS und Long Covid?

ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom) ist eine schwere Erkrankung, die häufig nach Infektionen auftritt – inzwischen auch oft nach einer Corona-Infektion. Typisch sind extreme Erschöpfung, die sich durch Ruhe nicht bessert, sowie das sogenannte Post-Exertional Malaise (PEM): Schon kleine Anstrengungen können die Beschwerden deutlich verschlimmern. Viele Betroffene sind dadurch stark in ihrem Alltag eingeschränkt.

Long Covid ist ein Überbegriff für anhaltende Beschwerden nach einer SARS-CoV-2-Infektion. Ein Teil der Betroffenen entwickelt dabei ein Krankheitsbild, das dem ME/CFS entspricht.

Der Wirkstoff Pyridostigmin im Test

Die Berliner Forscherinnen und Forscher untersuchten den Wirkstoff Pyridostigmin. Dieser wird seit Jahrzehnten gegen die seltene Autoimmunerkrankung Myasthenia gravis eingesetzt und verbessert dort die Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln.

In der aktuellen Studie nahmen 20 Patientinnen und Patienten mit postinfektiösem ME/CFS teil. Sie mussten mit einem Messgerät mehrfach ihre Handkraft testen – einmal ohne und einmal nach Einnahme von 30 mg Pyridostigmin. Zusätzlich wurde geprüft, wie sich der Kreislauf beim Aufstehen verhält, da viele Betroffene unter Schwindel und Herzrasen im Stehen leiden.

Deutliche kurzfristige Effekte

Die Ergebnisse sind bemerkenswert:

  • Ohne Medikament nahm die Handkraft im Verlauf der Tests deutlich ab.

  • Mit Pyridostigmin hingegen verbesserte sich die Kraft nach einer Stunde – im Durchschnitt um etwa 2,6 Kilogramm. Das entspricht einer rund 50 Prozent besseren Leistung im Vergleich zur Situation ohne Medikament.

  • Auch der Kreislauf profitierte: Das Herz schlug beim Aufstehen nach Pyridostigmin-Einnahme langsamer und stabiler.

Keiner der Teilnehmenden wies dabei die typischen Autoantikörper einer Myasthenia gravis auf. Die Wirkung des Medikaments scheint also auf andere Mechanismen zurückzugehen, die auch bei ME/CFS eine Rolle spielen.

Was bedeutet das für Betroffene?

Die Studie zeigt: Pyridostigmin kann kurzfristig Muskelkraft und Kreislaufstabilität verbessern. Das macht Hoffnung – gerade für Menschen mit Long Covid, die oft unter massiver Muskelschwäche und Belastungsintoleranz leiden.

Gleichzeitig betonen die Forschenden, dass es sich nur um eine kleine, nicht-kontrollierte Untersuchung handelt. Ob das Medikament langfristig wirksam und sicher ist, müssen größere klinische Studien klären. Pyridostigmin kann Nebenwirkungen haben, etwa Magen-Darm-Beschwerden oder selten auch Herzprobleme.

Fazit

Die Ergebnisse der Charité sind ein wichtiger Schritt: Sie zeigen erstmals in einer klinischen Untersuchung, dass ein bereits zugelassenes Medikament bei ME/CFS und Long Covid Symptome spürbar verbessern kann. Für Betroffene könnte dies in Zukunft ein Baustein in der Behandlung sein – vorausgesetzt, weitere Studien bestätigen die Wirksamkeit und Sicherheit.